Vom Hobby zum Beruf: Perspektiven für Kite-Lehrer
Welche Berufsperspektiven haben Kite-Lehrer, wie gelingt der Einstieg und wieviel landet in der Lohntüte? Um einen Einblick in die Ausbildung zu geben, haben wir beim VDWS eine Instructoren-Ausbildung absolviert – inklusive Lehrgang und Prüfung.
Eine Karriere als Kite-Lehrer?
Jeden Tag am Strand, jeden Tag auf dem Wasser – der Traum vieler Vollblut-Kiter bleibt für die meisten was er ist: ein Traum. Wer nicht gerade im Lotto gewonnen, eine fette Erbschaft gemacht oder sich ein Leben als „Vollzeit-Beachbum“ leisten kann, dem bleiben nur wenige Möglichkeiten, um maximal viel Zeit mit seinem Lieblingssport zu verbringen. Entweder, man hat das Zeug für eine Karriere als Kite-Profi, was der erdrückenden Mehrheit von uns Freizeitsportlern auch mit noch so engagiertem Trainingsaufwand leider verwehrt bleiben dürfte. Oder man wählt den bodenständigen und damit deutlich realistischen Weg und entscheidet sich für eine Karriere als Kite-Lehrer. „Und davon kann man leben?“, lautet eine der häufig gestellten Fragen. Die Antwort vorweg: Ja – unter bestimmten Voraussetzungen. Denn auch wenn viele den Job eher als Neben- oder Ferienjob sehen, so ist es durchaus möglich, seine Existenz auch dauerhaft darauf aufzubauen.
Fachkräftemangel in der Kite-Branche?
Auf der Messe „boot“ in Düsseldorf im Januar 2017 beklagt Lisbeth Prade vom Verband Deutscher Wassersportschulen (VDWS) im Gespräch mit KITE, dass in der Branche etliche Stellen für Kite-Lehrer unbesetzt seien und dass es für viele Schulen gerade in der Hochsaison eine Herausforderung wäre, ausreichend qualifiziertes Personal zu bekommen. Das konnten wir zunächst kaum glauben, denn Kite-Lehrer gibt es in unserer subjektiven Wahrnehmung doch wie den sprichwörtlichen Sand am Meer. „Wir bilden zwar jedes Jahr zahlreiche neue Instructoren aus, aber nur wenige davon bleiben der Branche über mehrere Jahre erhalten. Dabei bieten sich durchaus ernstzunehmende Berufsperspektiven“, erklärt Michael Vogel, VDWS-Lehrteamer und Inhaber der Surfschule Norddeich.
Leidet die Kite-Branche also unter Fachkräftemangel?
Gewissermaßen ja, denn die Ausbildung und der Job sind anspruchsvoll und aus VDWS-Sicht trauen sich noch zu wenige Kiter, mit einer Instructoren-Ausbildung den ersten Schritt in diese Richtung zu gehen. Das gängige Klischee, Kite-Lehrer verbrächten den Großteil ihrer Zeit mit Wassertreten und der hinlänglich bekannten Anweisung „Arme lang!“, dürfte sich bei näherem Hinsehen den meisten Betrachtern schnell als Irrglaube offenbaren. Doch welche Qualifikationen und welches Können man mitbringen muss, um erfolgreich den Berufsalltag zu bewältigen, ist den wenigsten bewusst. Um das herauszufinden, hat KITE den Selbstversuch gemacht und einen kompletten Ausbildungslehrgang inklusive Vorbereitung und Prüfungen absolviert.
Wer kann Kite-Lehrer werden?
Die Teilnahmevoraussetzungen sind schnell erklärt: Volljährigkeit, sicheres Kiten bis sechs Windstärken inklusive Höhehalten, Halsen und Basissprünge, den Nachweis ein Motorboot führen zu können – womit kein Motorbootführerschein gemeint ist – sowie einen Erste-Hilfe-Nachweis und einen Rettungsschwimmerschein Bronze oder alternativ die Teilnahme an einem der neuen VDWS-Rescueseminare werden für die Anmeldung benötigt. Die Liste ist zwar lang, aber kein Hexenwerk. Außerdem ist eine gültige Haftpflichtversicherung obligatorisch. Die Lehrgänge dauern in der Regel acht Tage und finden fast das ganze Jahr über in Deutschland sowie an VDWS-Schulen im Ausland statt.
back to school: der VDWS-Lehrgang
Einige Wochen vor unserem Lehrgangsbeginn in Norddeich liegt ein Paket vom VDWS in unserem Posteingang. Inhalt: der Lehrgangsordner. Wir bekommen den Hinweis, dass es sinnvoll wäre, den Inhalt vor dem ersten Lehrgangstag zumindest einmal gelesen zu haben. Mit dem ersten Blick aufs Inhaltsverzeichnis wird klar: Die über 300 Seiten haben es in sich. Von allgemeiner Methodik über Unterrichtsplanung, Physik, Sicherheit bis hin zu Wetterkunde, Naturschutz sowie Gesetzen quillt der Hefter vor Grundlagenwissen und Hintergrundinformationen geradezu über. Wir entscheiden uns für die bewährte „Mut zur Lücke“ Strategie aus der Uni-Zeit und legen ihn erstmal beiseite. Kurz vor dem Lehrgang packt uns dann doch das schlechte Gewissen und wir lesen zumindest einen Teil noch quer. Aus der Retrospektive betrachtet: nicht die beste Strategie.
Volles Programm und lange Tage
Die Frage, wie der gesamte Inhalt dieses Ordners in nur einer Seminarwoche thematisiert werden soll, ist an dieser Stelle berechtigt. Die Antwort einfach: Es funktioniert, aber es ist anstrengend und die Tage lang. Wer ein paar ausgedehnte Kites-Sessions gespickt mit ein paar Zusatzinformationen erwartet, liegt falsch. Die Lehrgangstage ziehen sich häufig über zehn Stunden hin – zuzüglich Gruppenarbeit am Abend. Wer länger kein Klassenzimmer oder Hörsaal mehr von innen gesehen hat, muss sich daran erstmal gewöhnen. Allerdings sind die Tagesabläufe angenehm vielseitig und ausgewogen in Theorie- und Praxiseinheiten unterteilt. Jeder Teilnehmer hält ein Referat zu einem bestimmten Thema, dass gleichermaßen den Einstieg und Grundlage für den zugehörigen Theorieblock bildet. Dabei fällt das hohe Niveau der Vorträge auf. Kaum ein Teilnehmer, der nicht eine ordentlich vorbereitet Powerpoint-Präsentation parat hat. Wir fühlen uns nochmals in die Studienzeit zurückversetzt – allerdings mit Ausblick aufs Wattenmeer. Was inhaltlich in den Vorträgen zu kurz kam, wird anschließend in der Gruppe erarbeitet und von den beiden VDWS-Lehrteamern Michael Vogel und Christoph Bürger ergänzt. Wer hier bei der Sache ist und mitdenkt, erleichtert sich das Leben bei den Prüfungen deutlich.
Erste Bewährungsprobe: die Fahrpraxis
Da für den zweiten Tag Wind gemeldet ist, wird kurzerhand die fahrpraktische Prüfung angesetzt. Der Prüfungsablauf stellt erfahrene Kiter zwar vor keine unlösbaren Aufgaben, dennoch erhöht sich der Stresslevel bei einigen Teilnehmern hier zum ersten Mal spürbar. Es gilt, seinen Kite nach einem vorgegebenen Ablauf zu starten und anschließend die Manöver Wasserstart, Höhelaufen, Halse aus dem Switch, Halse into Switch, Bojenstopp sowie einen einfachen Basissprung auszuführen. Da das Teilnehmerfeld recht heterogen ist – von jungen Kitern Anfang Zwanzig mit gerade ein oder zwei Jahren Kite-Erfahrung bis zum Mittvierziger-Gelegenheitskiter ist alles vertreten – wird es bei einigen knapp. Doch Haltungs- und Stylepunkte zählen hier nicht und für jedes Manöver hat man drei Versuche, weshalb fast alle die Prüfung erfolgreich absolvieren können. Ein erstes Durchatmen in der Gruppe. Die folgenden Tage gestalten sich so intensiv wie interessant und äußerst lehrreich. Ein schöner Nebenaspekt ist der sich schnell entwickelnde Teamgeist, der durch die beiden erfahrenen Lehrteamer immer wieder mit kniffeligen Aufgabenstellungen gefördert wird. So kann zum Beispiel eine an sich unspektakuläre Einheit mit einem Trainerkite an Land umso aufregender werden, wenn zehn Piloten auf engstem Raum manövrieren und sich die Leinen dabei nicht verheddern dürfen. Bei allem Spaß: auch ungeliebte Fleißarbeiten stehen auf dem Stundenplan. Insbesondere die Unterrichtsverlaufspläne befinden sich in der Beliebtheitsskala relativ weit unten. Wohl auch aufgrund der Tatsache, dass sich die Ausarbeitung derselben meist auf die späteren Abendstunden konzentriert und dadurch das gemütliche Feierabendbier teils hitzigen Diskussionen über die Wahl der korrekten methodischen Mittel und Ziele je Lerneinheit zum Opfer fällt.
Feuertaufe: die Lehrprobe
Zum Abschluss des Lehrgangs muss das Erlernte in die Tat umgesetzt werden können. Die Lehrprüfung besteht darin, in der Gruppe echten Kite-Schülern einen Grundkurs zu geben. Spätestens jetzt wird jedem klar, dass eben diese Stundenverlaufspläne eine Daseinsberechtigung haben. Denn ohne gute Vorbereitung kommt man während der Lehrproben schnell ins Straucheln. Abwechselnd übernimmt jeder angehende Instructor einen Teil des Kurses – ohne vorher zu wissen, wann genau er an der Reihe sein wird. Hier hilft nur vorausschauendes Denken und die nächsten Schritte schon im Kopf parat zu haben, bevor sie gefragt sind. Eine eindrucksvolle Erfahrung, denn das theoretische Wissen ist eine Sache, die praktische Vermittlung dagegen eine andere. Es gilt, sich auf die unterschiedlichen Schüler und wechselnde Bedingungen einzustellen und dabei die richtigen Entscheidungen zu treffen. Hier wird zum ersten Mal deutlich, wieviel ein guter Kite-Lehrer können muss und wie schwierig es ist, auch bei widrigen Windbedingungen eine gute Schulung zu machen. „Schema F“ funktioniert in der Regel nicht. Vielmehr ist Flexibilität und das richtige Handwerkszeug in Form der passenden Übung für jede neue Situation gefragt. Die Lehrproben sind definitiv eine Herausforderung, aber aufgrund der guten Vorbereitung für fast alle zu schaffen.
Jetzt wird’s ernst: die Abschlussprüfung
Zum Abschluss des Lehrgangs steht die schriftliche Prüfung an. Die wichtigsten Kursinhalte werden nochmals in einer 90-minütigen Klausur abgefragt. Die Prüfung zum Kite-Instructor besteht, wer die fahrpraktische Prüfung, die Lehrproben sowie die Klausur erfolgreich abgelegt hat. Wer einen der Prüfungsteile in den Sand setzt, kann diesen jedoch einzeln nachholen und muss nicht zwingend den gesamten Lehrgang wiederholen. Doch ist die Erfolgsquote insgesamt relativ hoch, da meistens weniger als zehn Prozent der Teilnehmer nicht im ersten Anlauf bestehen.
Letzte Schritt: Praktikum
Zwischen Lehrgang und Berufsstart steht das Praktikum. Es ist auf mindestens auf 100 Stunden ausgelegt und soll die Grundlage für die praktische Erfahrung im Schulungs- und Stationsalltag gewährleisten. Nur Praktika bei praktikumsberechtigten VDWS Schulen werden vom Verband anerkannt – egal ob sie sich im Inland oder Ausland befinden. Mit erfolgreich absolviertem Praktikum wird die Linzenz als Kiteboarding-Instructor ausgestellt. Sie behält drei Jahre ihre Gültigkeit und muss danach durch die Teilnahme an einer Fortbildung verlängert werden.
Und im Winter?
Da Kite-Schulungen fast überall Saisongeschäft bedeuten, müssen sich auch dauerhaft angestellte Instructoren in der Regel für den Winter eine Alternative suchen. Hier sind die Jobs bei den gängigen Event-Reisen begehrt. Kite College, Kitecity, Kite Mania und etliche weitere Anbieter schulen ihre Gäste teilweise ganzjährig an attraktiven Spots weltweit. Von Sizilien über Ägypten bis hin zu Brasilien bieten die Veranstalter sowohl Gästen als auch Instructoren interessante Ziele. Wer etwas Reisebereitschaft mitbringt, kommt gut durch den Winter. Die höchste Stufe auf der Karriereleiter ist – neben der Stationsleitung als Angestellter – die eigene Kite-Schule. Den richtigen Unternehmergeist und das nötige Startkapital vorausgesetzt, kann man beim VDWS eine Schulleiter-Lizenz erwerben, die zur Leitung einer zertifizierten Wassersportschule berechtigt. Dazu ist die Teilnahme an einem Schulmanagement-Seminar verpflichtend. Da der Markt in weiten Teilen Europas bereits stark besetzt ist, sollte man für diesen Schritt einen sehr genauen Plan haben, denn der Konkurrenzdruck ist teilweise enorm hoch. Wer keine Neugründung wagen will, aber dennoch selbständig arbeiten möchte, kann sich über Übernahmemöglichkeiten von bestehenden Schulen informieren. Auch wenn diese selten offiziell ausgeschrieben werden, lassen sich solche Informationen mit etwas Eigeninitiative innerhalb des VDWS-Netzwerks meistens in Erfahrung bringen.
Wieviel kommt in die Lohntüte?
Die spannendste Frage zum Schluss: Wieviel verdienen Kite-Lehrer? Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Wichtigstes Kriterium ist die Qualifikation und Berufserfahrung. Außerdem werden Instructoren, die mehrere Sportarten unterrichten, in der Regel höher entlohnt, da sie flexibler einsetzbar sind. Hinzu kommen weitere Fragen: Ist man fest oder freiberuflich angestellt? Arbeitet man dauerhaft oder nur als Aushilfe während der Hochsaison? Wie groß ist die Schule und ist der Standort im In- oder Ausland? Wird die Wohnung, Verpflegung und Anreise gestellt? Um zumindest Anhaltspunkte geben zu können, hat der VDWS in seinem Mitgliedermagazin im Frühjahr 2017 diese Orientierungswerte veröffentlicht, die mittels Umfrage auf dem Schulleiter-Meeting ermittelt wurden. Schwankungen nach oben oder unten sind hier jedoch absolut branchenüblich.
Weitere Infos: Auf der VDWS-Homepage findet Ihr alle Infos zu den Lehrgängen, ink. Termine und Gebühren, sowie eine Jobbörse.
entnommen aus Kite Magazin
0 Kommentare